„Hooves of Hope – a community empowerment project“ – Sierra Leone

Saskia Schmidt - founder of ONE DAY e.V. - in Sierra Leone

Treatment of Goats

GOAT Farm

Interview mit Saskia Schmidt, Gründerin von ONE DAY e.V.


Im vergangenen Jahr durften wir gemeinsam das Projekt „Ziegenfarm“ in Sierra Leone ins Leben rufen und starten. In der Zwischenzeit ist das Projekt von der Ziegenfarm zum „community empowerment project“ geworden. Wie ist denn der aktuelle Stand vor Ort?

In Sierra Leone braucht jedes Projekt Geduld – und echte Hingabe. Dinge entstehen dort nicht einfach, sie werden hart erarbeitet, unter Bedingungen, die mit unseren Maßstäben kaum zu vergleichen sind. Oft fehlen Ressourcen wie Maschinen, Strom oder Treibstoff, was Prozesse verlangsamt. Aber genau darin liegt auch eine eigene Schönheit: Der Takt des Lebens ist anders. Man sagt ja: Der Europäer hat die Uhr, die Afrikaner haben die Zeit. Und tatsächlich entsteht vieles dort in einem ruhigeren, natürlicheren Rhythmus. Unsere Ziegenfarm hat sich Schritt für Schritt entwickelt: Das Gelände wurde vollständig gerodet, Unterstände für die Tiere und einfache Unterkünfte für die Mitarbeitenden errichtet. Solarstrom sorgt nun auch nachts für Sicherheit. Die Herde wächst – zwar langsamer als geplant, weil Ziegen in dieser Region nicht in großer Zahl auf einmal verfügbar sind, aber nachhaltig. Und das Schönste: Die ersten Zicklein sind schon geboren. Das Projekt trägt im wahrsten Sinne des Wortes Früchte – oder besser gesagt: Leben.


Was macht die Farm so besonders und wie beeinflusst das Projekt die lokale Gemeinschaft, abgesehen von der reinen Nahrungsmittelversorgung und den Arbeitsplätzen?

„Hooves of Hope“ ist mehr als eine Farm. Es ist ein Symbol für Selbstbestimmung. Für uns unvorstellbar, dass „was essen wir heute“ eine echte Sorge sein könnte. Dort ist sie Realität. Harte Realität und leider haben sich die Lebensmittelpreise verändert, durch die Inflation ist im 2. ärmsten Land der Welt, Nahrung wirklich teuer geworden. Die Ziegen sind Botschafterinnen für Unabhängigkeit geworden – sie schenken nicht nur Nahrung, sondern auch Würde. Sie sind Möglichkeit für Tausch und Handel. In einer Gesellschaft, in der Armut und Tradition oft Grenzen setzen, ist das Wissen, dass man selbst etwas aufbauen kann, die wahre Chance für Veränderung.


Das Projekt dient auch als Schulungszentrum für nachhaltige Landwirtschaft. Wenn du eine Lektion über Nachhaltigkeit an die Welt geben dürftest, welche wäre das, basierend auf deinen Erfahrungen in Sierra Leone?

Nachhaltigkeit beginnt nicht mit Geld oder Technologie – sie beginnt mit Beziehung. Mit der Beziehung zur Erde, zu den Tieren, zu den Menschen um uns herum. Und mit Möglichkeiten. In Sierra Leone habe ich gelernt, dass man nicht alles besitzen muss, um reich zu sein. Wenn wir mit Achtsamkeit säen, mit Respekt ernten und mit Dankbarkeit teilen, entsteht ein Kreislauf, der stärker ist als jede Wirtschaft. Die Gemeinschaft. Mit BRG haben wir einen Rahmen geschaffen, wo nun Dinge aus eigener Kraft wachsen können. Und ja, in Zukunft soll die Farm ein Rolemodel für andere Projekte werden.

Workers and on-site team

Construction of the goat shed

Oftmals geht es bei Hilfsprojekten darum, den Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen. Welchen Einfluss hat die „Hooves of Hope“-Ziegenfarm auf das Selbstwertgefühl der Menschen – insbesondere der Mädchen und Frauen vor Ort?

Einige der Familien, die künftig auf der Farm arbeiten werden, haben einst in unserem Schutzhaus Zuflucht gefunden.
Frauen, die Gewalt erfahren haben, traumatisiert, ohne Perspektive, mit der drängenden Frage: Wie soll ich meine Familie ernähren? Nun werden sie Teil von Hooves of Hope – und dürfen erleben, was es bedeutet, wieder selbst für sich und ihre Kinder sorgen zu können. Wenn dieser erste, so grundlegende Teil stimmt – die Versorgung, die Sicherheit, das tägliche Brot- dann können Kinder wieder Kinder sein. Dann können sie in die Schule gehen, anstatt auf den Feldern zu arbeiten. So entsteht sie – die notwendige Kette der Grundsicherung von Bedürfnissen: Schutz führt zu Stabilität, Stabilität führt zu Bildung, und Bildung führt zu Zukunft.


Die Brand Recycling Group hilft, Wertvolles zu erhalten. Welche Parallelen siehst du zwischen der Mission der BRG und der Mission von ONE DAY e.V.?

Wir teilen denselben Herzschlag: preserve what matters. Während BRG Materialien bewahrt und ihnen neues Leben schenkt, bewahren wir das, was uns als Menschheit verbindet – Würde, Hoffnung, Gemeinschaft. Beides ist Recycling im tiefsten Sinn: aus dem, was gebrochen scheint, wieder Ganzes zu machen.


Was war dein persönlicher „Schatzfund“ in Sierra Leone – also welche Begegnung oder welches Erlebnis hat dich am meisten bereichert?

Tatsächlich gibt es viele Momente die sich unter die Haut brennen. Nicht wirklich Schatzfunde, aber Erfahrungen, die Dich leise verändern. Ein Baby, das wir im Busch gefunden haben – übersät von Ameisenbissen, weil seine Mutter keinen anderen Ausweg sah, das ich im Arm hielt. Ein Mädchen, kaum fünf Jahre alt, gegen ihren Willen beschnitten, auf meinem Schoß, still und so unendlich tapfer. Ein anderes, das sich schweigend neben mich setzte – und erst, als Worte versagten. Ein Kind mit einer schweren neurologischen Erkrankung – ohne jede Chance auf Behandlung. Das sind Momente, die Dich verändern und Deinen Blick auf die Welt. Auf das was wirklich zählt. Die Dich zwingen, hinzusehen, auch wenn es wehtut. Die Dich Demut lehren – und Dankbarkeit dafür, dass Dein Leben anders begann. Und irgendwann verstehst Du:
Gerechtigkeit ist kein Zustand, sie ist eine Entscheidung. Wenn Du einmal begriffen hast, wie ungleich diese Welt ist, dann trägst Du Verantwortung. Dann musst Du handeln – nicht aus Mitleid, sondern aus Liebe. Aus dem Wissen heraus, dass Glück eine Verpflichtung ist. Ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit – das ist, was bleibt, wenn Du die Welt wirklich verstanden hast.


Wenn du die nächsten 45 Jahre des Projekts planen könntest, was wäre dein größter Traum, den du mit „Hooves of Hope“ verwirklichen möchtest?

Mein Traum ist, dass „Hooves of Hope“ zu einem Netzwerk von Hoffnung wächst – mit weiteren Farmen, Ausbildungszentren und Frauenkooperativen. Dass jedes Kind in dieser Region Bildung und Nahrung als selbstverständlich erlebt. Und dass in 45 Jahren jemand dort steht, auf die Erde blickt und sagt: Hier begann etwas, das nie aufgehört hat zu wachsen. Etwas das viele Menschenleben positiv verändert hat.

Vielen Dank, Saskia!

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Norbert Brand über Pioniergeist und den Wert eines Familienunternehmens